Von (un)schönen Überraschungen oder: Weniger ist manchmal mehr

Umdenken: Nicht jeder Schauspieler ist ungeeignet für die Politik und nicht alles elektrisiert im positiven Sinn.

Wir lassen uns gerne überraschen. Dumm nur, dass es nicht immer schöne sind. Das gilt für Entwicklungen wie für Menschen. Für zumeist negative Überraschungen sorgt des öfteren der Präsident der Vereinigten Staaten und beweist einmal mehr, dass es nicht immer die Intelligenz ist, die Individuen auf herausragende Positionen katapultiert.

Andersherum verhält es sich mit einem anderen Amerikaner, der nicht nur mich seit Jahrzehnten überrascht. Arnold Schwarzenegger, der Muskelmann aus Österreich, konnte zu Beginn seiner beispiellosen Karriere nicht nur protzen, sondern hernach auch schauspielern und (grüne) Politik machen. Vor kurzem hielt er beim Austrian World Summit eine außergewöhnlich gute Rede, in der er den Ewiggestrigen, Lügnern und Zweiflern ins Gewissen redet – und man spürt, dass da jemand eine Botschaft zu vermitteln hat, für die er schon eingetreten ist, als der Begriff Klimawandel nur Fachleuten gegenwärtig war.

Mr. Schwarzenegger tritt für eine Zukunft ein, die von den Träumern gebaut wird, die Ziele anpeilen, die anderen als viel zu ambitioniert erscheinen. Wieder anderen schmälern sie die Profite. Wieder andere möchten am besten alles so lassen wie es ist, denn Veränderungen machen Angst. Doch diese Haltungen werden geradewegs in die Klimakatastrophe führen, das lässt sich mittlerweile zweifelsfrei absehen.

Umdenken: Die Stadt gehört nicht dem Auto

Und dass es auch anders geht, dafür muss man gar nicht weit reisen. Kopenhagen, Hauptstadt unseres Nachbarn Dänemark, arbeitet seit Jahren daran, bis zum Jahre 2025 die erste CO2-neutrale Hauptstadt der Welt zu werden. Das beginnt beim Flughafen, der das gleiche Ziel ausgegeben hat, bis hin zum innerstädtischen Verkehr, der zu einem Gutteil per Fahrrad, Roller, Lastenrad und anderen emissionsfreien Fahrzeugen besteht.

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Viele Wege nur für Fahrräder: Kopenhagen machts vor. Fotos: HM

Schon die Fahrt mit der Metro vom Airport in die Innenstadt überrascht: Denn der Zug fährt führerlos, pünktlich und in schnellen Intervallen. Fahrradwege in der City sind nicht nur optisch vom Auto- und Busverkehr getrennt; nicht selten gibt es reine Fahrradwege und -brücken. Über eine davon brausen jeden Tag 35.000 Pendler per Rad in die Innenstadt zu ihren Arbeitsplätzen.

Atomkraft wurde schon in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts abgeschafft; heute werden 25 Prozent des Energiebedarfs von erneuerbaren Energieträgern gedeckt. Nächstes Jahr sollen es 35 Prozent werden. Und es soll 12 Prozent weniger Energie verbraucht werden als 2006. Solche Beispiele sollte man im Hinterkopf haben, wenn es darum geht, zu beurteilen was machbar ist und was nicht.

Umdenken: Brauchen Kinderwagen Motoren?

Doch nicht alle Innovationen sind automatisch gut, nur weil sie elektrisch sind. Bestes Beispiel ist der E-Roller, der eigentlich Wege einsparen soll, die ansonsten mit dem Auto zurückgelegt werden. Vielmehr dient er derzeit als Spaßgerät. Oder benötigen wir wirklich elektrisch angetriebene Kinderwagen? Kein Scherz. Bosch hat nun einen Kinderwagen entwickelt, der elektrisch unterstützt wird. Neben Schiebeunterstützung und automatischer Bremsfunktion gehören die Vernetzung per Smartphone-App, eine Alarmfunktion sowie verschiedenste Hightech-Sensoren dazu. Befeuert wird der „eStroller“ von einem 18-Volt-Akku, der eine Reichweite von rund 15 Kilometer besitzen soll. Und der natürlich mit Strom versorgt werden muss.

Braucht frau/man das? Manchmal – und das sollten wir uns fett irgendwohin schreiben – ist weniger mehr. Denn Energie, die nicht verbraucht wird, muss auch nicht erzeugt werden. So überraschend ist diese Einsicht wohl nicht. HM/Foto oben: pixabay

Vom Ausland lernen oder: Die Nasenspitze ist nicht das Ende der Welt

Umdenken! Von staunenden Kanzlerinnen, cleveren Nachbarn und den RIP-Kriterien.

Angela Merkel war auf Stippvisite in den Niederlanden und staunte nicht schlecht, was die Nachbarn in der Zwischenzeit so hinbekommen haben. Nicht nur, dass sie in Utrecht das weltgrößte Parkhaus für Fahrräder mit mehr als 12.000 Stellplätzen eröffnet haben, sie wollen auch bis 2030 alle Kohlekraftwerke abschalten.

Möchte man sehen, wie eine Innenstadt sich verändert, die vom Radverkehr dominiert wird, dann muss man – von Ausnahmen wie Münster einmal abgesehen – ins Ausland gehen. In Utrecht wird sogar der Lieferverkehr elektrisch oder per Lastenrad abgewickelt.

Schaut man also über seine Nasenspitze hinaus, dann merkt man schnell, dass vieles geht, was man eigentlich für nicht vorstellbar hielt. Natürlich nicht von heute auf morgen – auch die Niederlande brauchte dafür Jahrzehnte -, aber man muss irgendwann den ersten Schritt tun. Und der muss von der Politik kommen.

Was wir brauchen: Konzepte, die Bestand haben

Sonst drohen Dieselskandal und Großstädte wie wir sie derzeit (noch) sehen und zunehmend verabscheuen: sich stauender Autoverkehr, schlechte Luft, Lärm und jede Menge Blech an jeder Straße und jeder Ecke. Das Umsteuern beginnt erst langsam und zögerlich, stößt an Hürden und Gegenargumente. Nötig wären aber schnelle – und richtige – Entscheidungen. Dazu bräuchte es ein tragbares Konzept, das nicht nur heute Bestand hat.

Und damit tun wir uns hierzulande schwer. Das Argument Arbeitsplätze, die Aktivitäten der vielen Lobbygruppen und seltsame Ansichten und Maßnahmen von Politikern, die schon Millionenaufträge vergeben, obwohl noch ein höchstrichterliches Verfahren ansteht, lassen einen nicht nur staunend zurück.

Was wir nicht brauchen: Politiker, die den Regenwald abfackeln

Immerhin: Die Diskussionen ziehen an, die Kommunen bauen an der etwas grüneren Stadt und das Thema E-Mobilität ist in der Breite angekommen. Es könnte durchaus sein, dass Prof. Dr. Bratzel richtig liegt, wenn er prognostiziert, dass das Wachstum bei der E-Mobilität im kommenden Jahr noch viel stärker sein werde, da die „RIP“-Kriterien erfüllt seien. Der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, der bei der DMT Arena am 14. November in Hannover Keynote-Speaker sein wird, nutzt das Kürzel RIP als Abkürzung für die Begriffe Reichweite, Infrastruktur und Preis.

Der Blick ins Ausland zeigt aber auch, dass wir in gewisser Weise auch nicht klagen müssen: Immerhin haben wir keinen Trump, Putin oder Johnson auf dem Chefsessel. Und schon gar keinen Bolsonaro, der gerade die grüne Lunge der Welt abfackelt und es den Umweltschützern in die Schuhe schiebt. Das muss einem erstmal einfallen! HM/Foto: pixabay