E-Mobilität

E-Mobilität: „Es besteht akuter Handlungsbedarf“

Interview mit Markus Emmert, Arbeitsgruppenleiter beim BEM und Seminarleiter der dmt Akademie, über E-Mobilität.

Die E-Mobilität ist eine noch recht junge Branche, doch schon jetzt bildet sich hier ab, was in anderen Segmenten bereits Standard ist: Selbständige Experten nehmen eine Schlüsselrolle in den Bereichen Wissenstransfer und Innovation ein. Das bestätigt auch Markus Emmert vom Bundesverband E-Mobilität e.V. (BEM). Er gilt als ausgewiesener Fachmann im Bereich E-Mobilität und kennt die Herausforderungen für diese Branche. Und er weiß: Selbständige Spezialisten werden auf dem Markt immer wichtiger. Ein Gespräch über neue Strukturen in den Unternehmen – und in den Köpfen der Entscheider.

Puls: Herr Emmert, eines der größeren, deutschen Qualitäts-Nachrichtenmedien titelte jüngst: 2019 wird das Jahr der Elektromobilität. Wie beurteilen Sie als Fachmann diese These?

Emmert: Ähnlich. 2019 wird definitiv einiges geschehen, was dem Thema E-Mobilität zusätzlichen Zündstoff verleihen wird. Ob das jetzt die Ladeinfrastruktur oder neue Fahrzeuge betrifft, um nur einige der Themen zu nennen. Wir vom Bundesverband E-Mobilität spüren deutlich, dass Bewegung in den Markt kommt. Und das branchenübergreifend. Das ist gigantisch.

Welche Branchen haben denn eine Schnittstelle mit der E-Mobilität?

Andersherum gefragt: Welche haben keine Schnittstellen? Ich kenne fast keine Branche, die keine Schnittstelle zur E-Mobilität hat. Die KFZ-Branche, die KFZ-Technologie-Zuliefererbetriebe, die Energiewirtschaft, die Baubranche, das gesamte Verkehrsthema, der maritime Bereich, das Thema Sonderbaumaschinen oder die Landwirtschaft: Für sie alle ist E-Mobilität ein relevanter Bereich. Dazu kommen angrenzende Segmente, das Gebiet der Mobilität im Allgemeinen. Hier sprechen wir beispielsweise vom autonomen und teilautonomen Fahren – und bewegen uns im Bereich der Digitalisierung von Big Data und Blockchain. Kurz: Es gibt keine Branche, die nichts mit dem Thema E-Mobilität zu tun hat.

„International wird das Thema viel weiter gedacht“

E-Mobilität
Markus Emmert ist Arbeitsgruppenleiter beim BEM und Seminarleiter der dmt Akademie. Foto: Emmert

Warum kommt jetzt so viel Dynamik in den Markt? Oder besser: Warum erst jetzt, wo doch bereits 2020 eine Million E-Autos in Deutschland fahren sollten?

Diese Frage lässt sich nur beantworten, wenn wir zuvor den Fokus festlegen. Denn: International wird speziell das Thema E-Mobilität viel, viel weiter gedacht. Denken wir nur an die Smart-City-Projekte in China. Davon sind wir national gesehen ganz weit weg. Genau daher aber rührt die von Ihnen angesprochene Dynamik auf dem deutschen Markt. Es ist der Druck von außen. Die USA und überwiegend Asien haben bereits komplett fertige Ideen und Produkte am Markt. Es besteht akuter Handlungsbedarf, wenn wir weiter in diesem Teich mit schwimmen und uns international im Bereich E-Mobilität behaupten wollen.

Wer sind denn in Ihren Augen international gesehen die Innovationstreiber?

Da gibt es verschiedene Player. Einer der größeren ist Tesla. Die haben das Fahrzeug an sich neu gedacht – und haben natürlich den Vorteil, dass sie als Unternehmen keine Altlasten hatten, dass sie in komplett neuen Strukturen denken konnten. Und vergessen wir nicht: Auch Apple, Google oder Samsung spielen auf diesem Markt mit. Das sorgt bei vielen Unternehmen für ein Umdenken und für neue Konzepte.

„Niemand nimmt die Untenehmen an die Hand“

Kurz: Der Druck ist hoch und die deutsche Wirtschaft rüstet sich für den Wettbewerb. Was einfacher klingt als es ist, oder? Stichwort Fachkräftemangel.

Allerdings. Diese Erkenntnis, dass etwas geschehen muss, ist gut und notwendig, allerdings besteht die Problematik, dass niemand die Unternehmen an die Hand nimmt und ihnen sagt, wie sie jetzt vorgehen sollten. Niemand zeigt ihnen den Weg. Weil es auf dem nationalen Markt einen massiven Mangel an Know-how, an Spezialisten und Beratern gibt. Und das nicht nur im Bereich E-Mobilität, sondern in allen Branchen.

Wie erklären Sie sich das?

Wir leben in einer komplett neuen Zeit. Die ganzen Entwicklungen und Ideen können nicht 15 Jahre warten. Prozesse in Betrieben müssen schneller laufen, das Klima in Unternehmen innovationsfreundlicher werden. Manche Unternehmen können das nur schwer umsetzen; der Informationsfluss ist zu langsam. Wir haben aber gleichzeitig verkannt, wie wichtig es ist, unser Know-how in Deutschland zu halten und auszubauen und das Thema ganzheitlich zu denken. Ein Beispiel: Wir kümmern uns um Batterien und technische Entwicklungen. Hier liegt der Fokus. Was wir vergessen, sind die Themen Ausbildung und Beratung: Ich kann kein Auto verkaufen, wenn ich keinen Verkäufer habe, der die Basics drauf hat. Und ich kann diese Grundlagen nicht schaffen, wenn ich keine Spezialisten am Markt habe, die ihr Wissen weitergeben.

Es fehlt also an Wissensträgern und Prozessspezialisten auf dem deutschen Markt.

Absolut. Wir haben unglaublich viel Know-how und Geist in Deutschland, aber der wird selten gesehen oder intern im Keim erstickt. Die Talente gehen ins Ausland, wo sowohl politisch als auch wirtschaftlich Raum für Innovationen besteht.

„Sie brauchen den Impuls von außen“

Selbständige Experten könnten hier eine Lösung darstellen. Sie bringen als Spezialisten ihr gesammeltes Wissen in ein Unternehmen ein.

Absolut richtig und wichtig! Unternehmen hatten und haben leider oftmals immer noch die Angst, dass selbstständige Experten auf Zeit internes Wissen nach außen tragen, es also nach Abschluss ihrer Tätigkeit bei einem Mitbewerber einbringen. Dieses Denken ist fatal und nicht mehr zeitgemäß. In meinen Augen ist die Beauftragung von selbstständigen Spezialisten in der E-Mobilität eine große Chance. Nur so komme ich zu neuem Denken und neuen Strukturen in einem Unternehmen. Intern ist das kaum möglich. Sie brauchen den Impuls von außen. Es ist doch so: E-Mobilität kann ich als Unternehmen nicht mehr alleine denken und in die Hand nehmen. Ich muss es zulassen, in Netzwerken und Kooperationen zu denken. Das sind wir in Deutschland nur nicht gewohnt.

Sie empfehlen also ganz bewusst die Zusammenarbeit auf Zeit mit hochqualifizierten Spezialisten?

Meines Erachtens nach müssen wir so vorgehen, um Ergebnisse zu schaffen. Wir müssen selbstständige Spezialisten ins Boot holen und verstärkt auch mit Start-ups kooperieren. Das ist vielen Unternehmen auch bereits bewusst. Allerdings gibt es immer noch zu wenig echte Change Maker in den Entscheider-Ebenen, die diese Erkenntnis wirklich leben. Diese leisten sich dann meist eine interne Innovationsabteilung mit kleinem Budget, die nicht wirklich Schlagkraft hat. Und man muss zudem ehrlicherweise sagen: Es gibt einfach nicht sehr viele Kapazitäten und Ressourcen am Markt.

„Die Entwicklungen sind nicht mehr umkehrbar“

Dennoch, so sagten Sie zu Beginn unseres Gesprächs, wird 2019 ein dynamisches Jahr für die E-Mobilität …

Ich bin sehr optimistisch. Die neuen Themen und Entwicklungen sind nicht mehr umkehrbar. Die finden statt – mit oder ohne uns. Das ist allen bewusst. Auch der Industrie und Wirtschaft. Diese kommt um ein Umdenken gar nicht drum herum. Und das wird sich fühlbar auszahlen. Denn ein Experte auf Zeit hat ja nicht nur den Vorteil, dass er bereits eine Vielfalt an beruflichen Erfahrungen und Aufgabenstellungen gesammelt hat, er bringt zudem eine branchenübergreifende Perspektive mit. Das ist Gold wert! Wenn ein Spezialist aus der Auto- und Motor-Sparte ein Unternehmen aus der Energiewirtschaft berät, werden sie feststellen, wie viele Parallelen es gibt. Viele Branchen arbeiten in der E-Mobilität an ähnlichen Fragestellungen, ohne sich jemals auszutauschen. Das unterbindet Potentiale. Ein selbstständiger Experte auf Zeit kann hier wertvollen Input liefern und innovative Impulse setzen. HM/Titelfoto: Porsche

Lernen Sie mehr über Elektromobilität in den Webinaren der dmt Akademie!

Interview Birkner

„Das Auto wird zum Kampfthema“

Interview mit Dr. Stefan Birkner, FDP-Fraktionsvorsitzender und ehemaliger Umweltminister von Niedersachsen, zu Fragen der Mobilität.

Eckhard Schulte: Herr Dr. Birkner, ich habe ein Problem. Ich zahle für die Strecke Hameln – Hannover hin und zurück 27,40 Euro, während ich innerhalb der Region 9 Euro zahlen würde für das Tagesticket. Nehme ich ein Fahrrad mit, zahle ich 32,40 Euro. 30 Euro entspricht den Kosten, die ich hätte, wenn ich mit dem Auto fahren würde, Was läuft falsch?

Dr. Birkner: Wir leisten uns in Niedersachsen viel zu viele Verkehrsverbünde, die keine abgestimmte Tarifstruktur haben und eben die Übergänge nicht ordentlich organisieren. Ich halte das auch für ein großes Problem. Wir bräuchten ein abgestimmtes Tarifverbundsystem, das die Mobilität befördert und nicht beschränkt. Das ist die Aufgabe des Landesverkehrsministers. In Zeiten der Digitalisierung muss es möglich sein, die Tarife so zueinander zu bringen, dass man kostengünstig aus der Region nach Hannover kommt. Da müssen wir erheblich nachbessern.

Nun wissen wir ja, dass zwei Fünftel der Pendler aus den Randgebieten in die Stadt drängen. Das ist also ein zentraler Punkt.

Das ist richtig. Das zeigt auch, dass, wenn wir über ÖPNV reden, wir über die falschen Punkte diskutieren. Es geht nicht nur um Preise. Die Priorität liegt aus meiner Sicht darauf, den ÖPNV auszubauen und dadurch gerade für die Randbereiche attraktiver zu machen. Wir sollten weniger darüber nachdenken, ob der ÖPNV günstiger werden kann, sondern wir sollten zuerst da investieren, wo Defizite bestehen.

Dr. Stefan Birkner (links) im Interview mit DMT-Geschäftsführer Eckhard Schulte.

Hannover und Niedersachsen setzen derzeit auf die E-Mobilität. VW sieht seine Zukunft ebenfalls dort, die Üstra wird ihre Busflotte auf Elektroantrieb umrüsten. Was halten Sie von der Festlegung auf die Elektromobilität?

Ich bin da skeptisch. Wenn ein Unternehmen wie die Üstra diesen Weg geht, dann kann ich das nachvollziehen, weil es emissionsmindernde Wirkung im städtischen Bereich hat. Dass ein ganzer Mobilitätskonzern ausschließlich auf E-Mobilität setzt, halte ich für eine riskante Entscheidung, weil andere Antriebsformen wie Verbrenner mit alternativen Kraftstoffen oder auch der Wasserstoffantrieb außen vor sind. Man läuft dann Gefahr, dass man dann in der Sackgasse landet, wenn diese eine Technologie sich doch nicht durchsetzt oder wenn die Ökobilanz doch nicht so gut ist. Ich frage mich, ob es nicht klüger wäre, technologieoffener zu sein. Letztlich entscheiden die Kunden, welche Technologie für sie die richtige ist. Bei der Elektromobilität habe ich da für ein Flächenland wie Niedersachen Zweifel, ob es die richtige Technologie ist.

Dr. Birkner war auch Teilnehmer der Podiumsdiskussion bei der DMT Arena am 14. November 2019 im HCC.

Auf der anderen Seite sind wir ja unter Zeitdruck und müssen Maßnahmen ergreifen. Nehmen wir das Beispiel Tempolimit. Kaum jemand bezweifelt, dass es was bringt, und es lässt sich sofort und ohne Probleme umsetzen. Sogar der ADAC ist nun von seinem kategorischen Nein abgerückt. Wäre ein Tempolimit unter diesen Gesichtspunkten nicht eine gute Maßnahme?

Zunächst plädiere ich für eine Ent-Emotionalisierung der Debatte. Es ist kein Teufelszeug, über Tempolimit zu sprechen. Andere Staaten haben es auch. Für mich ist immer wichtig zu fragen, was es bewirkt. Einfach etwas zu machen, um es getan zu haben ist zu einfach. Ich bin dafür, den richtigen Rahmen zu setzen, auch bei der Mobilität. Wenn wir den Verkehrssektor im Emissionshandel haben, dann hat der, der mehr Treibstoff verbraucht auch höhere Kosten und damit einen Anreiz, langsamer zu fahren. Wer dennoch schnell fährt, der beteiligt sich auch stärker an den Kosten. Aus der Sicht Verkehrssicherheit muss man sich natürlich die Zahlen ansehen und mit Experten sprechen. Wenn ein Tempolimit dann Sinn macht, dann bin ich der Letzte, der sich verweigern würde. Viel besser wäre es aber, auf orts- und verkehrsangepasste, intelligente Lösungen zu setzen, statt auf starre Regelungen.

Thema autofreie Innenstadt

In vielen Kommunen gibt es ja derzeit Diskussionen über autofreie Zonen. Auch in Hannover. Wie stehen Sie zu Fahrverboten und zum Thema autofreie Innenstadt?

Auch da wird ein Punkt herausgepickt und irgendwie wird das Auto zum Kampfthema, scheint mir. Es wird polarisiert. Aus meiner Sicht geht es auch hier nicht darum, ob man für oder gegen das Auto ist, sondern um intelligente Mobilitätskonzepte für eine Stadt wie Hannover mit einer überregionalen Bedeutung. Das heißt, man muss alternative Angebote machen: Ausbau des ÖPNV, flexible Lösungen, Ausbau der digitalen Infrastruktur im Verkehrsbereich und bedarfsgerechte Verkehre organisieren. Das bedeutet auch, dass Mobilität in der Stadt für den Radverkehr attraktiver wird.
Wenn ich in der Stadt wohne, brauche ich dann vielleicht gar kein Auto mehr. Aber wenn ich von außerhalb komme und auf das Auto angewiesen bin, dann ist eine autofreie Innenstadt nur dann akzeptabel, wenn ich von bestimmten Punkten zuverlässig, sicher, sauber und zu guten Zeiten planbar auch in die Stadt reinkomme. Und wenn das gegeben ist, dann kann man den Streitapfel „autofreie City“ ruhen lassen und sich um moderne Konzepte kümmern.

Was wäre für Sie die erste Maßnahme hin zur Verkehrswende?

Ich sehe in der Digitalisierung die entscheidenden Spielräume. Wir müssen für Städte wie Hannover Lösungen finden, wie die Verkehrsträger vernetzt werden können und dann zu Lösungen zu kommen, die einen Individualverkehr ermöglichen. Ich muss von A nach B kommen und die Verkehrsträger nahtlos wechseln können.

Vielen Dank für das Gespräch

„Eine Alternative muss mehr Spaß machen als das eigene Auto“

Wie könnte sich die Mobilität in Städten wandeln? Interview mit dem Mobilitätsberater Peter Löck, der an der Podiumsdiskussion bei der DMT Arena in Hannover teilnimmt.

DMT: Was muss sich ändern, damit sich das Mobilitätsverhalten der Menschen ändert?

Löck: Vorweg: Das Auto hat seinen Platz in der Mobilität der Zukunft. Es gehört nicht ohne Grund zu den erfolgreichsten Produkten des letzten Jahrhunderts. Es hat sich nicht nur technisch weit entwickelt, sondern vermittelt auch Rückzug, Status und Freiheit.
Der entscheidende Schritt in Richtung Verkehrswende ist die Abkehr vom individuellen Personenverkehr. Dennoch ist die Mobilität ein menschliches Grundbedürfnis und eine wirtschaftliche Notwendigkeit, Verbote bringen da wenig. Besser als Wegnehmen ist das bessere Angebot – fragen Sie meine Kinder.
Eine Alternative muss mehr Spaß machen, als der Besitz eines eigenen Autos. Daran arbeite ich wie viele andere in meinem Startup. Es muss einfacher sein, auf die App zu klicken als den Autoschlüssel zu schnappen. Es muss billiger sein, als der teure Unterhalt eines eigenen Autos. Es muss schneller sein, als im Stau zu stehen. Es muss stressfreier sein, als Parkplatzsuche.

„Es muss einfacher sein, auf die App zu klicken als den Autoschlüssel zu schnappen“

Dank der digitalen Transformation können wir einfachen Zugang zu verschiedenen Verkehrsangeboten ermöglichen. Dabei ist die größte Herausforderung den Flickenteppich der Verkehrsverbünde zu verknüpfen und Konkurrenten zur Zusammenarbeit zu bewegen. Im Ergebnis komme ich ohne Auto besser von Tür zu Tür.
Neben der Entwicklung von Alternativen gehört auch die Vision dazu, Menschen ihren Raum zum Leben und Atmen zurückzugeben. Beispiele aus den Smart Cities Europas, wie Helsinki und Amsterdam zeigen uns den Weg zu einer lebenswerten Stadt.

Welche Antriebsform favorisieren Sie für die Zukunft – Elektro, Hybrid, Brennstoffzelle?

Erst einmal: Auch das „Wasserstoffauto“ ist ein Elektroauto mit Elektromotor und Akku. Der Wasserstoff ersetzt als Energieträger die größeren Akkus eines vollelektrischen Fahrzeugs. Die Frage nach Wasserstoff- oder Akku lässt sich nicht isoliert betrachten. Im Kontext der Energiewende ist die Technologie vorzuziehen, welche der Verwendung volatiler Energien aus Wind und Sonne am dienlichsten ist.

DMT Arena
Mobilitätsberater Peter Löck, Teilnehmer der Diskussionsrunde bei der DMT Arena. Foto: Löck


Mit Wasserstoff lässt sich in windigen oder sonnigen Zeiten gut Energie speichern. Aber durch die Umwandlung von Strom in Wasserstoff und Wasserstoff wieder in Strom treten so hohe Energieverluste auf, dass im besten Fall ein Viertel der ursprünglichen Energie auf der Straße landen. Für die Wasserstofftechnologie müsste man dreimal mehr Windräder bauen. Von den Synfuels wollen wir in diesem Zusammenhang gar nicht reden. Aus meiner Sicht hat die Brennstoffzelle im Straßenverkehr keine Chance mehr.

„Die Brennstoffzelle hat im Straßenverkehr keine Chance mehr“

Akkus haben einen wesentlich höheren Wirkungsgrad von etwa 90 Prozent. Außerdem lässt sich Strom ausgezeichnet transportieren. Das Stromnetz ist schon da, wir können grundsätzlich überall laden und müssen nie wieder tanken. Im besten Fall laden wir bei Gelegenheit, immer wenn der Wagen steht, bei der Arbeit, zu Hause, während des Einkaufens.
Aber zurück zur Energiewende. Technisch können Elektroautos nicht nur Energie aus dem Netz aufnehmen, sondern auch abgeben und damit der Stabilität der Netze dienlich sein. In Fachkreisen spricht man von bidirektionalem Laden oder auch V2G (Vehicle to Grid). Das macht die „Akkus auf Rädern“ perspektivisch zur besten Alternative. Die Akkutechnologie schreitet voran. Energiedichte und Ladezeiten haben sich so verbessert, dass auch der Einsatz im Schwerlastbereich realistisch ist.
Der Hybrid schleppt weiter den Verbrenner mit sich herum. Die Oxidation von Kohlenstoff müssten wir eigentlich schon gestern beendet haben, wenn wir das Klima des Planeten noch retten wollen. Deswegen und weil es inzwischen bessere Antriebe gibt, ist der Hybrid keine sinnvolle Option.

Wie wird sich die Mobilität in der Stadt verändern? Und wie die Stadt?

Das haben wir selbst in der Hand. Ich habe da eine Karikatur im Kopf, wo Straßen als unüberwindbare Schluchten dargestellt sind. Wir haben zu lange Straßen für Autos gebaut und Städte um die Straßen herum. Das es auch besser geht, zeigt Oslo, wo öffentliche Parkplätze durch Blumen und Bänke ersetzt werden. Mich überzeugt dieser skandinavische Pragmatismus: „Ohne Parkplatz erreiche ich mein Ziel in der Stadt nicht, also fahre ich anders hin“. Schön ist auch das Beispiel Paris, wo entlang der Seine wieder Fußgänger flanieren und das Leben blüht.

DMT Arena
Straßen als unüberwindbare Schluchten.
Picture by Karl Jilg/Swedish Road Administration


Was in den suburbanen Räumen schwer umzusetzen ist, wie zum Beispiel funktionierender öffentlicher Nahverkehr mit vielen Haltestellen und kurzer Taktung und Sharing-Modelle mit unterschiedlichen Fahrzeugen, nimmt in den Zentren seinen Anfang. Stellen Sie sich vor, wie viel Flächen für Grünanlagen, aber auch Geschäftsmeilen frei werden, wenn der Individualverkehr kein Hindernis mehr ist.

Halten Sie die E-Scooter in der City für einen Gewinn?

Ha, lacht: Ich habe in Klagenfurt einen E-Scooter ausprobiert, macht Laune! Aber im Ernst: Ja und nein. In der Stadt von heute wirkt Mikromobilität als zusätzliche Belastung, weil zusätzlicher Fahr- und Parkraum beansprucht wird. In offenen Anlagen ohne Autoverkehr kann man aber jetzt schon sehen, wie städtische Mobilität in Zukunft aussehen kann. Nicht die E-Scooter sind das Problem, sondern die Autos, denen der Großteil der Straße zum Fahren und Parken eingeräumt wird.
Die E-Scooter sind vergleichbar zum Carsharing erst ein Gewinn, wenn der kritische Punkt überschritten wird, an dem weniger eigene Autos in den Verkehr gebracht werden.

Wird der Pkw seinen Status als „Liebling der Deutschen“ behalten?

Natürlich ist ein Strich-Achter (Mercedes Benz /8) von außergewöhnlicher Schönheit, aber ich muss damit ja nicht jeden Tag zur Arbeit fahren. 47 Millionen Pkw auf deutschen Straßen sind einfach zu viel. Die kommenden Angebote von Byton und Co. zeigen das Fahrzeug an sich als reine Plattform für digitale Personifizierung. Ihr Smartphone kann ja auch das gleiche Modell sein wie meins, die Apps machen den Unterschied. Die Autos werden austauschbar, wir werden sie uns im Alltag teilen und damit in der Lage sein, höherwertige Modelle zu benutzen. Status ist dann das Premium-Abo.

Vielen Dank für das Gespräch

Mehr über die DMT Arena am 14. November im HCC erfahren Sie hier. Die Teilnahme ist kostenlos

Zur Anmeldung geht´s hier.