Interview Birkner

„Das Auto wird zum Kampfthema“

Interview mit Dr. Stefan Birkner, FDP-Fraktionsvorsitzender und ehemaliger Umweltminister von Niedersachsen, zu Fragen der Mobilität.

Eckhard Schulte: Herr Dr. Birkner, ich habe ein Problem. Ich zahle für die Strecke Hameln – Hannover hin und zurück 27,40 Euro, während ich innerhalb der Region 9 Euro zahlen würde für das Tagesticket. Nehme ich ein Fahrrad mit, zahle ich 32,40 Euro. 30 Euro entspricht den Kosten, die ich hätte, wenn ich mit dem Auto fahren würde, Was läuft falsch?

Dr. Birkner: Wir leisten uns in Niedersachsen viel zu viele Verkehrsverbünde, die keine abgestimmte Tarifstruktur haben und eben die Übergänge nicht ordentlich organisieren. Ich halte das auch für ein großes Problem. Wir bräuchten ein abgestimmtes Tarifverbundsystem, das die Mobilität befördert und nicht beschränkt. Das ist die Aufgabe des Landesverkehrsministers. In Zeiten der Digitalisierung muss es möglich sein, die Tarife so zueinander zu bringen, dass man kostengünstig aus der Region nach Hannover kommt. Da müssen wir erheblich nachbessern.

Nun wissen wir ja, dass zwei Fünftel der Pendler aus den Randgebieten in die Stadt drängen. Das ist also ein zentraler Punkt.

Das ist richtig. Das zeigt auch, dass, wenn wir über ÖPNV reden, wir über die falschen Punkte diskutieren. Es geht nicht nur um Preise. Die Priorität liegt aus meiner Sicht darauf, den ÖPNV auszubauen und dadurch gerade für die Randbereiche attraktiver zu machen. Wir sollten weniger darüber nachdenken, ob der ÖPNV günstiger werden kann, sondern wir sollten zuerst da investieren, wo Defizite bestehen.

Dr. Stefan Birkner (links) im Interview mit DMT-Geschäftsführer Eckhard Schulte.

Hannover und Niedersachsen setzen derzeit auf die E-Mobilität. VW sieht seine Zukunft ebenfalls dort, die Üstra wird ihre Busflotte auf Elektroantrieb umrüsten. Was halten Sie von der Festlegung auf die Elektromobilität?

Ich bin da skeptisch. Wenn ein Unternehmen wie die Üstra diesen Weg geht, dann kann ich das nachvollziehen, weil es emissionsmindernde Wirkung im städtischen Bereich hat. Dass ein ganzer Mobilitätskonzern ausschließlich auf E-Mobilität setzt, halte ich für eine riskante Entscheidung, weil andere Antriebsformen wie Verbrenner mit alternativen Kraftstoffen oder auch der Wasserstoffantrieb außen vor sind. Man läuft dann Gefahr, dass man dann in der Sackgasse landet, wenn diese eine Technologie sich doch nicht durchsetzt oder wenn die Ökobilanz doch nicht so gut ist. Ich frage mich, ob es nicht klüger wäre, technologieoffener zu sein. Letztlich entscheiden die Kunden, welche Technologie für sie die richtige ist. Bei der Elektromobilität habe ich da für ein Flächenland wie Niedersachen Zweifel, ob es die richtige Technologie ist.

Dr. Birkner war auch Teilnehmer der Podiumsdiskussion bei der DMT Arena am 14. November 2019 im HCC.

Auf der anderen Seite sind wir ja unter Zeitdruck und müssen Maßnahmen ergreifen. Nehmen wir das Beispiel Tempolimit. Kaum jemand bezweifelt, dass es was bringt, und es lässt sich sofort und ohne Probleme umsetzen. Sogar der ADAC ist nun von seinem kategorischen Nein abgerückt. Wäre ein Tempolimit unter diesen Gesichtspunkten nicht eine gute Maßnahme?

Zunächst plädiere ich für eine Ent-Emotionalisierung der Debatte. Es ist kein Teufelszeug, über Tempolimit zu sprechen. Andere Staaten haben es auch. Für mich ist immer wichtig zu fragen, was es bewirkt. Einfach etwas zu machen, um es getan zu haben ist zu einfach. Ich bin dafür, den richtigen Rahmen zu setzen, auch bei der Mobilität. Wenn wir den Verkehrssektor im Emissionshandel haben, dann hat der, der mehr Treibstoff verbraucht auch höhere Kosten und damit einen Anreiz, langsamer zu fahren. Wer dennoch schnell fährt, der beteiligt sich auch stärker an den Kosten. Aus der Sicht Verkehrssicherheit muss man sich natürlich die Zahlen ansehen und mit Experten sprechen. Wenn ein Tempolimit dann Sinn macht, dann bin ich der Letzte, der sich verweigern würde. Viel besser wäre es aber, auf orts- und verkehrsangepasste, intelligente Lösungen zu setzen, statt auf starre Regelungen.

Thema autofreie Innenstadt

In vielen Kommunen gibt es ja derzeit Diskussionen über autofreie Zonen. Auch in Hannover. Wie stehen Sie zu Fahrverboten und zum Thema autofreie Innenstadt?

Auch da wird ein Punkt herausgepickt und irgendwie wird das Auto zum Kampfthema, scheint mir. Es wird polarisiert. Aus meiner Sicht geht es auch hier nicht darum, ob man für oder gegen das Auto ist, sondern um intelligente Mobilitätskonzepte für eine Stadt wie Hannover mit einer überregionalen Bedeutung. Das heißt, man muss alternative Angebote machen: Ausbau des ÖPNV, flexible Lösungen, Ausbau der digitalen Infrastruktur im Verkehrsbereich und bedarfsgerechte Verkehre organisieren. Das bedeutet auch, dass Mobilität in der Stadt für den Radverkehr attraktiver wird.
Wenn ich in der Stadt wohne, brauche ich dann vielleicht gar kein Auto mehr. Aber wenn ich von außerhalb komme und auf das Auto angewiesen bin, dann ist eine autofreie Innenstadt nur dann akzeptabel, wenn ich von bestimmten Punkten zuverlässig, sicher, sauber und zu guten Zeiten planbar auch in die Stadt reinkomme. Und wenn das gegeben ist, dann kann man den Streitapfel „autofreie City“ ruhen lassen und sich um moderne Konzepte kümmern.

Was wäre für Sie die erste Maßnahme hin zur Verkehrswende?

Ich sehe in der Digitalisierung die entscheidenden Spielräume. Wir müssen für Städte wie Hannover Lösungen finden, wie die Verkehrsträger vernetzt werden können und dann zu Lösungen zu kommen, die einen Individualverkehr ermöglichen. Ich muss von A nach B kommen und die Verkehrsträger nahtlos wechseln können.

Vielen Dank für das Gespräch

Franz W. Rother (Edison), Christian Bebek, Leiter Verkehrsabteilung IHK Hannover (rechts)

Der Film zur DMT Arena: Urbane Mobilität im Fokus

Die DMT Arena im HCC in Hannover zum Thema urbane Mobilität konnte sich über großes Besucherinteresse freuen. Doch sehen Sie selbst!

Die Mobilität von heute und morgen ist derzeit nahezu überall ein großes Thema, das mit vielen Emotionen diskutiert wird. Auch und vor allem in Kommunen. Zum Thema „Wem gehört die Stadt?“ haben die DMT.events GmbH + Co KG und die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) am 14. November im Hannover Congress Centrum (HCC) eine Podiumsdiskussion veranstaltet.

160 Interessierte im Blauen Saal

Über mangelnden Zuspruch konnten sich die Veranstalter nicht beklagen. In den Blauen Saal des HCC strömten knapp 160 Bürgerinnen und Bürger, die nicht nur interessante Informationen von den Diskussionsteilnehmern erwarteten, sondern auch Fragen stellen durften – vor dem Hintergrund der Oberbürgermeisterwahl, bei der sich der Grüne Belit Onay am Wochenende zuvor durchgesetzt hatte. Eine der Wahlkampfversprechen Onays war die autofreie Innenstadt bis 2030.

Spannendes Panel

An der Podiumsdiskussion nahmen Dr. Stefan Birkner, Fraktionsvorsitzender FDP Nds. und ehemaliger Umweltminister, Peter Löck, Mobilitätsberater, Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) und Christian Bebek, Leiter Verkehrsabteilung IHK Hannover, teil. Kurzfristig zugesagt hatte noch Dr. Elisabeth Clausen-Muradian von den Grünen. Moderiert wurde die Diskussion von Franz W. Rother, Chefredakteur des Magazins Edison.

Unseren Nachbericht zur DMT Arena finden Sie hier

DMT Arena

Dr. Elisabeth Clausen-Muradian (Grüne) kommt zur DMT Arena

Dr. Elisabeth Clausen-Muradian, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Ratsfraktion Hannover, nimmt an der Podiumsdiskussion der DMT Arena am morgigen 14. November um 18 Uhr im HCC teil.

Der Grünen-Politiker Belit Onay hat jüngst die Oberbürgermeisterwahl in Hannover für sich entschieden. Damit dürfte sich auch das Mobilitätskonzept in der Landeshauptstadt einiges ändern. „Wir müssen Verkehr neu denken und wollen mehr Mobilität bei weniger motorisiertem Individualverkehr erreichen. Andere Städte haben es bereits vorgemacht, jetzt kann Hannover gleichziehen und sich einen echten Standortvorteil verschaffen“, sagt Onay. Und: „Ich will bis 2030 den Anteil des Radverkehrs auf 40 Prozent erhöhen und eine autofreie Innenstadt innerhalb des Cityrings schaffen.“

„Wem gehört die Stadt?“

DMT Arena
Dr. Elisabeth Clausen-Muradian, Vorsitzende des Umweltausschusses der Grünen Hannover. Foto: privat

Stoff für viele Diskussionen in und um die Landeshauptstadt und deren Verkehrskonzept zeichnet sich damit ab. Die DMT Arena am 14. November um 18 Uhr im HCC greift diese Themen auf, und die Veranstalter Friedrich-Naumann-Stiftung FNF und DMT.events GmbH + Co KG freuen sich, dass so kurzfristig nach der Wahl eine Vertreterin der Grünen die Teilnehme an der Podiumsdiskussion zugesagt hat: Dr. Elisabeth Clausen-Muradian, Vorsitzende des Umweltausschusses der Grünen Hannover, wird die Standpunkte der Partei vertreten.

Fragen aus dem Publikum

Die weiteren Teilnehmer der Diskussion unter der Überschrift „Wem gehört die Stadt“ sind Dr. Stefan Birkner, Fraktionsvorsitzender FDP Nds. und ehemaliger Umweltminister, Peter Löck, Mobilitätsberater, Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) und Christian Bebek, Leiter Verkehrsabteilung IHK Hannover. Das Besondere an der Podiumsdiskussion: Auch das Publikum bekommt die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Moderiert wird die Diskussion von Franz W. Rother, Chefradakteur des Magazins EDISON.

Keynote-Speaker Prof. Dr. Stefan Bratzel

DMT Arena
Professor Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM). Foto: CAM

Keynote-Speaker der Veranstaltung ist Professor Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach. Das Thema seines Vortrages lautet „Szenarien einer mobilen Zukunft – Thesen zur Zukunft der Autoindustrie und Mobilität“.

In diesem Vortrag wird Prof. Bratzel folgende Punkte analysieren:

  • Autoindustrie im Kampf der Welten (Mobility Provider/Big Data Player)
  • E-Mobilität: Die RIP – Erfolgsfaktoren – Reichweite-Infrastruktur-Preis/Markt- und Innovationsführer bei der E-Mobilität/ Szenarien
  • Die KoKoKO-Herausforderungen (Kompetenzen/Kooperationen/Kultur und Organisationstrukturen) in den Zukunftsfeldern (Connected Car, Autonomes Fahren und Mobility Services)
  • Connected Car und neue Geschäftsmodelle
  • Kundentrends und neue Mobilitätsdienstleistungen
  • Ökosysteme Dienstleistungen und Erfolgsbedingungen

Auftaktveranstaltung zum Deutschen Mobilitätstag

Die DMT Arena findet am 14. November ab 18 Uhr im Blauen Saal des HCC statt. Der Eintritt ist frei. Sie ist die Auftaktveranstaltung zum Deutschen Mobilitätstag im kommenden Jahr, der am 5. und 6. Juni im HCC stattfindet. Durch die Trilogie aus Ausstellung, Themenbühnen und Testfahrten erhalten die Geschäftsführer kleiner und mittlerer Unternehmen, Fuhrpark- und Mobilitätsmanager, Entscheider der Kommunen, HR-Manager, Handwerker als auch Privatkunden auf dem Deutschen Mobilitätstag Antworten auf die drängenden Mobilitätsfragen unserer Zeit und so eine klare Orientierung.

Zur Anmeldung zur DMT Arena geht es hier.

Mehr Informationen zum Deutschen Mobilitätstag finden Sie hier.

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„Hannover kann sich nicht erlauben, das Auto auszusperren“

DMT Arena am 14. November im HCC: IHK-Mitglied Christian Bebek diskutiert mit zum Thema „Wem gehört die Stadt?“

Unter der Überschrift „Wem gehört die Stadt?“ findet am 14. November im Hannover Congress Centrum (HCC) die DMT Arena statt. Im Rahmen dieser Abendveranstaltung werden Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nicht nur über wichtige Fragen diskutieren, vor denen die individuelle Mobilität im urbanen Bereich heute und morgen im Allgemeinen steht; es geht auch ganz konkret um verkehrspolitische Fragen für die Stadt Hannover.

Einer der Teilnehmer an der Podiumsdiskussion ist Christian Bebek, Leiter der Verkehrsabteilung der IHK Hannover. Er plädiert für ein Vorgehen mit Augenmaß, wenn es darum geht, wie die Innenstadt sich wandeln soll. Für die Ausgabe 11 der „Niedersächsischen Wirtschaft“ hat er folgenden Beitrag verfasst, der seine Position in der Verkehrs- und Mobilitätsfrage für Hannover veranschaulicht:

„Raus aus der Konfliktzone“

„Der Oberbürgermeister-Wahlkampf in Hannover hat wieder einmal gezeigt, dass es kaum ein Thema gibt, das in einer Stadtgesellschaft mehr polarisiert als der Stadtverkehr. Jeder ist persönlich betroffen und damit Experte. Je nachdem, zu welcher Verkehrsfraktion man gehört, wird mal über zu viel Pkws, mal über rüpelige Radfahrer, regelmissachtende Fußgänger oder über unkomfortablen, überlasteten, teuren ÖPNV geschimpft. Der Stadtverkehr ist eine Konfliktzone erster Güte, weil die Mobilitätsbedürfnisse ständig wachsen, der Platz in der Stadt naturgemäß aber begrenzt bleibt.

„Für das Hinterland mitdenken“

DMT Arena

 

Christian Bebek, Leiter der Verkehrsabteilung der IHK Hannover. Foto: IHK

Die ewigen Autos-raus-Rufe liefern keine ausreichende Antwort auf die Anforderungen in einer aktiven Metropole wie Hannover, die für 100 Kilometer Hinterland mitdenken muss. Dass der hannoversche Einzelhandel ohne Kunden aus dem Umland kaum existieren könnte, weiß jeder. Außerdem wird die künftige Prosperität der Stadt vor allem davon abhängen, nicht nur als Einkaufs-, sondern auch als Arbeitsstandort für Arbeitnehmer aus einem weiten Umfeld attraktiv zu sein. Tatsächlich wohnen zwei Fünftel der täglich 160 000 Einpendler jenseits der Regionsgrenze. Dort ist der ÖPNV oft dünn, Busse und Bahnen bieten bisher keine realistische Alternative zum Auto.

„Der Stadtverkehr muss ökolgischer werden“

Hannover kann es sich gegenwärtig also nicht erlauben, das Auto auszusperren. Das ändert aber nichts daran, dass der Stadtverkehr effizienter und natürlich ökologischer werden muss. Dafür brauchen wir einen Plan, denn die Aufgaben sind gewaltig: Ausbau des ÖPNV- und Radwegenetzes, Aufbau der Ladeinfrastruktur, Schaffung zeigemäßen, gut erreichbaren, citynahen Parkraums, ein moderneres Wegweisungssystem, Optimierung des P+R-Angebots, neue logistische Konzepte für die Warenströme und noch vieles mehr.

„In den konstruktiven Dialog eintreten“

Die IHK hat in den letzten Monaten, zusammen mit der Handwerkskammer und vier Wirtschaftsverbänden, die „konzertierte Aktion Stadtverkehr“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Konfliktzone zu verlassen und mit Rat und Verwaltung in einen konstruktiven Dialog über eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur einzutreten.

Zuletzt wurde viel über das Potenzial des Radfahrens diskutiert. Dies ist auch richtig, aber wenn man eine Tonne Altglas zu transportieren hat oder einen 3000-Quadratmeter-Supermarkt beliefern muss, bleibt ein Fahrrad das falsche Verkehrsmittel. Leitbild für einen „Masterplan Stadtverkehr“ muss ein leistungsfähiges Gesamtsystem sein, in dem jeder Verkehrsträger zu seinem Recht kommt“.

Prof. Stefan Bratzel spricht

Weitere Teilnehmer an der Podiumsdiskussion sind Dr. Stefan Birkner, Fraktionsvorsitzender FDP Niedersachsen und ehemaliger Umweltminister, der Mobilitätsberater Peter Löck sowie Professor Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach und bekannt als Mobilitätsexperte bei ARD und ZDF. Professor Stefan Bratzel ist gleichzeitig der Keynote-Speaker der Veranstaltung. Er spricht zum Thema „Szenarien einer mobilen Zukunft“.

Beginn der Veranstaltung im Blauen Saal des HCC ist um 18 Uhr, der Eintritt ist frei. Um Voranmeldung wird gebeten.

Weitere Infos zur DMT Arena am 14. November um 18 Uhr im Blauen Saal des HCC finden Sie hier.

„Eine autofreie City kann zur Verödung führen“

Die autofreie Innenstadt wird in Hannover diskutiert. Interview mit Ex-Umweltminister Dr. Stefan Birkner (FDP) im Vorfeld der DMT Arena.

Viele Städte diskutieren und/oder planen derzeit, ob und wie sie den Autoverkehr in ihren Innenstädten reduzieren können. In Hannover dreht sich der Streit um eine autofreie Innenstadt, die auch im Wahlkampf zum Oberbürgermeister Thema ist. Die DMT Arena am 14. November im HCC greift diese und andere Fragen zur Mobilität in den Städten unter der Überschrift „Wem gehört die Stadt“ auf.

Nach dem Vortrag von Professor Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach findet eine Podiumsdiskussion statt, an der auch Dr. Stefan Birkner (FDP), ehemaliger Umweltminister von Niedersachsen und Fraktionsvorsitzender der FDP Niedersachsen teilnehmen wird.

DMT Arena
Dr. Stefan Birkner (FDP), ehemaliger Umweltminister von Niedersachsen und Fraktionsvorsitzender der FDP Niedersachsen. Foto: Birkner

Mit ihm haben wir uns über einige Aspekte der Mobilität in der Landeshauptstadt unterhalten.

DMT: Herr Birkner, wie beurteilen Sie die derzeitige Verkehrssituation in Hannover? Insbesondere in Anbetracht der maroden Brücken am Südschnellweg sowie überholungsbedürftiger Bahntrassen und -brücken.

Dr. Birkner: Die Verkehrssituation in der Landeshauptstadt Hannover ist, wie in allen europäischen Großstädten, zeitweilig angespannt. Es gibt sehr viel Pendlerverkehr – wenn dann noch Veranstaltungen oder Messen hinzukommen, stößt das Verkehrssystem an seine Grenzen. Derzeit sind in und um Hannover zudem rund 60 Baustellen eingerichtet. Baustellen sind leider unausweichlich und müssen in der Regel im laufenden Verkehrsbetrieb abgewickelt werden, was dann zu Einschränkungen für die Verkehrsteilnehmer führt.

„Die Kosten müssen im Rahmen bleiben“

Hier ist es wichtig, die Planungen so zu gestalten, dass sowohl die Kosten im Rahmen bleiben, gleichzeitig aber Anreize für eine möglichst schnelle und qualitativ gute Abwicklung gesetzt werden. Mein Wunsch wäre es darüber hinaus, dass Straßen und Bauwerke regelmäßig geprüft und eventuell notwendige Erhaltungsmaßnahmen möglichst zeitnah umgesetzt werden.

Was müsste sich für eine emissionsärmere Mobilität ändern?

Eine emissionsärmere Mobilität ist auf vielen Wegen erreichbar. Der öffentliche Personenverkehr auf der Schiene ist in der Regel elektrisch, so dass hier beim Strommix anzusetzen wäre. Beim Individualverkehr sind emissionsarme Antriebe wie beispielsweise Erdgas, Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe oder auch moderne Verbrennungsmotoren mit neusten Schadstoffklassen geeignet. Sinnvoll wäre zudem die vermehrte Einführung von E-Taxis, LNG-Lkws oder Wasserstoffbussen.

„Radfahren sollte attraktiver werden“

Radfahren und die Nutzung von Bussen und Bahnen sollte zudem attraktiver werden. Beim Transport von Gütern können Schüttgüter in großen Mengen gut im Binnenschiff oder auf der Schiene transportiert werden. Lastkraftwagen, die über 70 Prozent des Gütertransports in Deutschland abwickeln, können zum Beispiel durch moderne Flüssiggasantriebe einen Beitrag zur Emissionsreduzierung leisten.

Welche Maßnahmen anderer Städte könnten Sie sich für Hannover vorstellen?

Der Nahverkehr und die Erreichbarkeit von Hannover sind gut. Hier können andere Städte noch etwas von Hannover lernen. Wichtig erscheint mir, dass Hannover seinen Straßenverkehr durch eine intelligente Ampelschaltung verflüssigt. Hier wäre das umweltorientierte Verkehrsmanagement (UVM) der Stadt Braunschweig beispielhaft. Einfahrverbote, wie in Stuttgart, sind für mich ungeeignete Maßnahmen.

Was halten Sie von der autofreien Innenstadt wie sie ja für Hannover diskutiert wird?

Die Innenstadt von Hannover zählt mit ihren kurzen Wegen zu den attraktivsten Einkaufsstädten Deutschlands. Vom Hauptbahnhof über den Kröpcke bis zur Altstadt kann man sich bereits heute nahezu autofrei bewegen. Die Ausdehnung der autofreien Innenstadt auf den Cityring halte ich für unausgereift. Sie geht zu Lasten der Pendler, Arbeitnehmer und Besucher der Innenstadt.

„Die Ausdehnung der autofreien Innenstadt halte ich für unausgereift“

Letztlich würde die weiträumige Sperrung des Kerns von Hannover, im schlimmsten Fall in Verbindung mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h im gesamten Stadtgebiet, zur Verödung der Innenstadt führen. Es kann nicht das Ziel von Politik sein, den Einzelhandels- und Dienstleistungsstandort Hannover zu gefährden.

Vielen Dank für das Gespräch

Zur Anmeldung für die DMT Arena am 14. November um 18 Uhr im HCC geht es hier. Der Eintritt ist kostenlos.